24 Stunden Adrenalin Pur

25.06.2012 15:58

 

 
Inhalt:
 
- Ruhiger Start: Camping Zusammenkunft
- 24 Stunden Adrenalin Pur
- Die Triller Pfeife
- "Geh über die Planken"
- Eine Seefahrt die ist Lustig, die Entladung nicht.
- Die Strasse steht unter Wasser
 
 
Ruhiger Start: Camping Zusammenkunft
 
Der Besitzer vom Campingplatz in Aliabad hat so einen Ansturm seit Gründung nicht erlebt. Sieben Fahrzeuge, 12 Erwachsene und 6 Kinder sind heute hier eingefahren. Unsere China-Truppe ist komplett.  Ow und im Gästebuch dass ich kurz durchstöbert habe, fand ich auch die Namen der Vorbesitzer von Fridolin, Martin und Ursula Wunder. Ursula, ich wusste gar nicht dass Du Österreicherin bist?! ;o)
 
Mark und ich haben alle hier zusammen getrommelt, denn nebst unserer negativen See-Informationen haben wir noch weitere Steine in den Weg gelegt bekommen. Die geplante Verschiffung der grossen Lastwagen auf der vorhandenen Militärfähre fällt ins Wasser, da zwei der drei Zug-Boote gerade kaputt sind. Weiter fanden wir heraus dass der Damm in Kürze gesprengt werden soll. Das Zeitfenster ist nicht klar, aber wir haben fünf bis zehn Tage bis zum grossen Knall.
 
Alle sind dementsprechend nervös doch die ruhige Atmosphäre im schönen Camping-Platz lassen unsere Gedanken am Lagerfeuer weg vom See treiben und wir widmen uns den üblichen Reise-Geschichten.
 
 
24 Stunden Adrenalin Pur
 
Wir räumen gerade die Teller weg und entspannen bei einer Tasse Tee an unserem ungewöhnlichen Nachtplatz. Vor vier Stunden bin ich mit der Gruppe "Kleinfahrzeugen" sprich, Mark im IVECO, Tachna und Michel aus Belgien im Landcruiser und Jens und Eva im Mercedes-Bus zum Damm aufgebrochen. 
 
Letztere haben keinen Vierradantrieb und konnten die steile Piste auf den Damm nicht erklimmen. Mit einem vier Meter Abschleppseil haben wir den Mercedes an Fridolin gebunden und wollen Jens den Damm hoch schleppen. Der ultrafeine Staub hat Jens völlig eingehüllt als ich in die erste enge Kurve  biege. Er fährt absolut blind hinter mir und sieht nur das Abschleppseil welches in der dichten Staubwolke verschwindet. Fridolin heult auf und verliert Traktion an den Vorderrädern, doch meistert die steile Kurve mit letzter Kraft. Ich verlangsame um zu sehen ob bei Jens alles in Ordnung ist, doch mich überholt einzig eine dunkle Wolke welche eine dichte Staubschicht auf die Windschutzscheibe wirft. "Ach, solange ich so schwer ziehen muss, hängt Jens sicherlich noch am Landcruiser" :) Und so erreichen wir unser Nachtlager mit allen Fahrzeugen, hoch oben auf dem natürlichen Damm, ausgelöst durch einen massiven Bergrutsch am instabilen Berg über uns?!?!
 
 
Die Triller-Pfeife
 
Wir trinken also gemütlich unseren wohlverdienten Tee und philosophieren über die morgige See-Überquerung welche wir mit zwei Bootsleuten vereinbart haben als plötzlich zwei Pakistanis vor uns stehen.
 
"Big Blast, you have to go there" ("Grosse Sprengung, Ihr müsst dort hin gehen")?!?! "Was sagst Du? Wohin müssen wir? Was für eine Sprengung?" fragen wir verdutzt. "Ja, Sprengung, Ihr müsst dort in den Schutzbunker" sagt der Mann in der orangen Weste. Wir bleiben stur und beharren: "Aber uns wurde gesagt dass morgen früh um 7 Uhr eine Sprengung ist, nicht heute!!"
 
Die Antwort die wir erhalten ist eindeutig. Der zweite Mann verliert offenbar die Geduld mit den, zugegeben unplausibel argumentierenden Touristen, und bläst in seine Trillerpfeife. Ich sage euch, so eine Pfeife wirkt wahre Wunder. Keine Ahnung ob wir aus Schulzeiten oder Kindheit auf laute Pfeif-Geräusche getrimmt sind, aber auf einen Schlag springen wir alle auf, lassen alles stehen und liegen und rennen zum Bunker. Wir aufgescheuchte Hühner. :)
 
Im Bunker vergewissern wir uns bei der Triller-Pfeife ob wir denn hier sicher sind und was ist mit den Autos?! "Ihr hier sicher, Autos nicht". Mmmmmh, ratter, ratter, ratter, Hat der gerade gesagt dass die Autos nicht sicher sind??? Im selben Augenblick rennen vier Hühner wie verrückt aus dem "sicheren" Stall zurück zu den Autos. Mit offenem Zelt fahre ich mit Vollgas über die Holperpiste zum weitest entfernten Punkt. Mark überfährt seine Leiter bei der Aktion "Rettet unsere Autos" ansonsten bleibt aber alles heil.
 
Im Bunker warten wir dann auf den grossen Knall. "KAAWUUUMMMMM" macht es zwei mal in der Ferne und tatsächlich, Steine kommen neben dem Bunker nieder. Ich glaube es nicht, die See-Überquerung von Morgen birgt eigentlich schon genügend Abenteuer-Potential, was kommt wohl als nächstes?!
 
 
"Geh über die Planken"
 
So geschah uns am nächsten Morgen. In aller Frühe um 5:30 Uhr, noch bevor der tägliche Chaos-Verkehr an der "Ultra Chaos Stelle" kurz "UCS" eintrifft , fahren wir die steile und schmale Piste runter zur "UCS". Die Ultra Chaos Stelle ist zu dieser Uhrzeit friedlich und gleicht sich der glatten, ruhigen Wasseroberfläche an. Zu unterst steht Fridolin bereit, dicht gefolgt von Mark's IVECO. Zu unserem Unmut liegt an der Anlegestelle ein Haufen Schrott welcher zuerst weggeräumt werden muss. Mit gut zwei stündiger Verspätung treffen dann endlich unsere zwei bestellten Boote ein.
 
"Phu, die Holzplanken sehen aber ziemlich Schmal aus..." Aber mehr kriegen wir nicht. Der Radstand der Autos wird vermessen und die unterschiedlichen Holzplanken auf den Booten ausgerichtet. Mit wenigen Schnüren sind die beiden Schaukel-Schiffe miteinander verbunden. Wir sichern die Planken zusätzlich mit unseren Spann-Riemen und sorgen damit wenigstens für einigermassen ruhig stehende Planken. Dann geht es los. Ich atme drei mal tief durch, vergewissere mich dass der Vierradantrieb eingeschalten ist, die Steine unter den Rädern entfernt und dass ich im kleinsten Gang der Untersetzung fahre.
 
Mit meinem "kleinen" Toyota finde ich mich gut zurecht auf dem kleinen Wendeplatz, welcher gerade mal eineinhalb Wagenlängen gross ist. Das Auto erst ein mal ausgerichtet wird eine Rampe aus Steinen und Mark's Sandblechen gebaut um die gut 80cm Höhenunterschied zu überbrücken. Langsam gebe ich Gas und rolle sanft auf die Sandblechrampe. Noch ein mal ausrichten, noch ein mal vollste Konzentration und behutsam aufs Gas treten. Fridolin rollt im Schneckentempo ultrapräzise, gelenkt vom Bootskapitän (Denn ich sehe gerade nur noch Wasser vor mir), auf den zwei schmalen Planken vorwärts auf das Schaukel-Schiff. Wir richten das Gewicht aus und sichern das Auto mit Steinen. "YIIHAAAAA... ich bin an Bord!!"
 
Mark's IVECO ist der nächste und nimmt platz neben Fridolin auf den gleichen zwei Booten. Das Wendemanöver ist durch die Grösse vom IVECO erschwert doch klappt auch ohne nennenswerte Probleme. Die Auffahrt meistert Mark ebenso tadellos und wir sind abfahrbereit. 
 
 
Eine Seefahrt die ist Lustig, die Entladung nicht
 
Manuell mit einer Kurbel werden die vier "Rasenmäher-Motoren" die unsere Schiffe antreiben gestartet. Die Rauchsäulen und der irrsinnige Lärm durchbrechen die Idylle des wunderschön türkisfarbenen Sees. Die schroffen Felsen der umliegenden Berge stürzen senkrecht in das Wasser und bergen wohl ein sagenhaftes Tauchparadies. Wir fahren das ehemalige Tal entlang, kurven um die dramatische Kulisse Seeaufwärts. 
 
Wir fahren gerade über das Dorf und das Weideland des Bootmannes sagt dieser bedrückt, während in der Ferne abgestorbene Bäume halb aus dem Wasser ragen. Weiter nördlich, nach gut drei viertel der Fahrt entdecke ich plötzlich den Karakoram-Highway welcher gemächlich im See verschwindet. Ein  ziemlich skurriler Anblick. :)
 
Die Autos wippen gemächlich mit den kleinen Wellen und scheinen sich wohl zu fühlen. Die beiden Fahrzeuge in mitten vom See ist aber ein einmaliges Bild. Ich kann es noch immer nicht richtig fassen dass wir tatsächlich auf zwei Meer-Fischerbooten, welche von Karachi hier her gebracht worden sind, gerade durch die gigantische Bergwelt des Karakoram's schippern. Wahnsinn!
 
Die Anlegestelle macht uns aber gar keine Freude. Der Wind nimmt zu und der Wellengang erschwert das Anlegemanöver und wir knallen beinahe gegen einen grossen Stein. Durch die Hilfe von mehreren "Passanten" kann gerade noch das schlimmste verhindert werden. "Mmh, aber wo genau sollen wir denn nun eigentlich abladen?" Ich muss Fridolin irgendwie über die schmale Planke fünf Meter über das zweite Boot fahren, dabei ein mal auf eine andere Planke wechseln und dann die Höhendifferenz von 1.5 Meter an den unebenen Boden welcher halb im Wasser steht bringen?! "IST DAS EUER ERNST?" Ja es ist ernst, sehr ernst. Denn der Wellengang nimmt zu, die Boote schaukeln bedrohlich. Langsam steuere ich Fridolin vorwärts, balanciere auf den zwei Holzplanken und muss bald über die "Klippe" springen. Wir bauen eine haarsträubende Rampe mit grossen und kleinen Steinen. Mit grösster Vorsicht fahre ich runter um endlich, endlich wieder sicheren Boden unter den Rädern zu haben. "YIHIIIAAAAAAAAAAAAA, einer von vier geschafft"
 
Mark hat es eigentlich einfacher, denn seine Position ist weiter links und somit auf einer kleinen Mauer liegend. Die Rampe ist einfacher zu bauen hier, doch er steht einige wenige Grade schief auf den Planken und die fünf Meter fahrt wird zur Nervenprobe. Knapp, ganz knapp können wir die 4.5 Tonnen auf den Brettern manövrieren und bringen auch den "gigantischen Frosch" sicher vom Schiff!!!
 
 
Die Strasse steht unter Wasser
 
Mit den Booten gehts wieder zurück um die zwei wartenden Fahrzeuge aufzuladen. Wir müssen die Anlegestelle welche wieder zur "Ultra Chaos Stelle" wurde blockieren um uns ein Beladungsfenster zu schaffen. Mit schieben und stossen bringen wir Jens's Mercedes aufs Boot und entladen die beiden Autos mehr oder minder sicher auf der anderen Seite.
 
 
Endlich können wir ausschnaufen, endlich durchatmen, endlich Ruhe und Tee trinken. DENKSTE!!!! Jens und Eva eilen in die Teestube, wir müssen sofort los! Die Strasse die von hier wegführt steht durch den schnell ansteigenden See bereits 40cm unter Wasser. Wenn wir länger warten kommen wir hier nicht mehr weg. "AAAAAAAAAHHHHHHH, es ist schon dunkel, ich hab noch nicht's gegessen, ich will RUUUHEEEEE". Es nützt nicht's, wir müssen los, denn der Weg führt über einen Damm, der nun unter Wasser ist. Ein Auto wartet auf uns und führt uns sicher über den Damm. 
 
So, nun ist aber Schluss mit Abenteuern... ich brauch eine Verschnaufpause. :o)
 
 

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