Grenzenlose Gastfreundschaft

25.06.2012 15:47

 

 
Ich bin soeben vom einfallenden Regen in mein Dachzelt geflüchtet. Es ist erst gerade zwanzig Minuten nach Sieben und so kann ich mich wieder ein mal meinem "Tagebuch" sprich Reiseberichten widmen.
 
Ich parke mit Mark auf einem Feld nahe einem kleinen Dorf auf der vom Karakorum-Highway gegenüberliegenden Flussseite. Neben uns stehen einige Maulbeer-Bäume und das Gras ist satt grün. Um uns herum sind die schroffen Berge des Karakorum's aber Gipfel sehen wir keine. Tief hängende Wolken kündeten den Regen bereits vor Stunden an.
 
Inhalt:
 
- Der pakistanische Minibus
- Die Gastfreundschaft Pakistans...
- ... kennt keine Grenzen
- Und was macht der Westen?
 
Der pakistanische Minibus
 
An diesen schönen Ort führte uns wie schon so oft purer Zufall. Bereits 140km sind wir heute unterwegs. Die verrückte Strasse von Skardu an den KKH mit seinen hunderten Haarnadelkurven haben wir bereits hinter uns. Wieder hatten wir einige Begegnungen mit den alten Bedford-Lastwagen wo eine Kreuzung gerade mal im Zentimeter-Bereich möglich war. 
 
Der Pfad den wir jetzt befahren liegt auf der gegenüberliegenden Seite vom KKH und ist sehr rau. Ich staune gerade als mich der pakistanische "Minibus" überholt. Es ist nämlich kein Bus, sondern ein Moped mit einem bärtigen Mann mit westlichem Regenmantel, vier Kindern und einem Monatseinkauf. WAHNSINN!
 
An der nächsten Kurve sehe ich dass Mark angehalten hat um den "Minibus" genauer zu beäugen. Kurzerhand nimmt er drei der vier Kinder im Auto auf und fährt diese ins nächste Dorf.
 
 
 
Die Gastfreundschaft Pakistans...
 
... Verlangt, für Pakistanis selbstverständlich, eine Einladung auf eine Tasse Tee. Wir werden ins Haus gebeten wo uns Stühle und Tisch bereit gestellt werden. Der bärtige Mann erklärt dass seine drei Brüder kürzlich verstorben sind und er nun vier Familien hier beherbergt. Insgesamt 23 Kinder leben hier und alle sind natürlich sehr neugierig. Auch die Mädchen werfen immer wieder verstohlene Blicke aus der Küchentüre, aber verschwinden kichernd urplötzlich wenn ich die Kamera in Ihre Richtung bewege. Ultrasüss!
 
Wie es sich gehört wird uns auch eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten welche wir aber verneinen da wir uns auf eine outdoor Nacht freuen.
 
 
... kennt keine Grenzen
 
Zu unserem Schlafplatz werden wir von Dutzenden Menschen, Jung und Alt, begleitet. Alle haben das Kricket-Spiel unterbrochen und wollen die zwei "Unbekannten" beobachten.
 
Anders als in Shigar, wo die vom Tourismus verwöhnten und "versauten" Kinder mir den letzten Nerv gestohlen haben, sind diese Kids hier absolut Respektvoll und vertrauenswürdig. Ohne das kleinste Bedenken lasse ich das Auto unverschlossen und gebe meine Speedmington Schläger weiter an die süsse Horde. Auch der Bär ist wieder ein mal in Aktion und sorgt für Freude.
 
Von mehreren Seiten werden wir für die Nacht in die Häuser gebeten. Der Tee ist bereit und auch Essen gibt es. Angebotene Wolldecken sollen uns warm geben... aber wir haben doch schon alles, versichern wir.
 
Nach unserer Kartoffel-Rösti und dem selbst gebrautem Chai sind wir Bettreif. Sultan-Mountainguide, ein älterer Herr, ist soeben aufgetaucht nur um sich zu vergewissern dass es uns gut geht und es uns an nichts fehlt.
 
"Dies ist mein Dorf, und ich versichere euch eine gute Nacht" sagt der liebe Mann. "Wenn Ihr irgendetwas braucht, Essen, Wasser, Kleider oder ein Dach über dem Kopf, dann werden wir es euch bringen. Ihr seid unsere Gäste und das ist unsere Pflicht"
 
 
 
Und was macht der Westen?
 
Wir sind wieder ein mal gerührt von der grenzenlosen Gastfreundschaft Pakistans. Wir "zivilisierten" Menschen im Westen könnten so ungemein viel von den bei uns so genannten "unterentwickelten", "ungebildeten" Menschen lernen. Und ja, nicht zu vergessen, das sind ja alles Terroristen hier! 
 
Nein meine lieben Freunde von der anderen Seite der Welt, hier leben keine Terroristen, hier leben die freundlichsten Menschen die ich auf dieser Kugel kennen gelernt habe. Die schwarzen Schafe die hier Terroristen genannt werden gibt es in jeder Gesellschaft. Ich schüttle meinen Kopf vor der medialen Beeinflussung die bei uns herrscht. Das traurige ist, dass diese Menschen genau wissen wie sie in der westlichen Welt dargestellt werden. Diese Menschen wissen genau wie sie vom Westen ausgebeutet werden. Und diese Menschen bieten uns trotzdem eine unbedingte Gastfreundschaft. 
 
Dies ist das wahre Pakistan, unverstanden von vielen, ein Spielball der Welt... Wir müssen die Augen öffnen.
 

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